Bei über einem Drittel der von einer Depression betroffenen Patientinnen und Patienten spricht die Erkrankung nicht ausreichend auf eine Behandlung allein mit Psychotherapie und Medikation an. Daher wurde in den letzten Jahren die Entwicklung moderner Hirnstimulationsverfahren vorangetrieben. Unter diesen Behandlungsverfahren ist die transkranielle Magnetstimulation (TMS) besonders nebenwirkungsarm, sanft und schonend – es wird weder ein Krampfanfall ausgelöst, noch ist eine Narkose erforderlich. Weltweit wurde die TMS erfolgreich in sehr vielen Therapiestudien eingesetzt und neue Stimulationsprotokolle machen es heute möglich, dass der Therapieeffekt einer 45-minütigen Stimulationssitzung bereits nach 3 Minuten erreicht werden kann. Unsere Uniklinik verfügt über eines der modernsten TMS-Geräte in Deutschland, welches für die Behandlung von ambulanten oder stationären Depressionsbehandlung in der KJK zur Verfügung steht.
Bei der Depression handelt es sich nach heutigem Verständnis um eine Netzwerkstörung, bei der die Kommunikation verschiedener Hirnregionen untereinander nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Die TMS normalisiert diese Netzwerkstörung. Es werden Hirngebiete stimuliert, was den Energiestoffwechsel der Nervenzellen anregt, die korrekte Vernetzung von Hirnregionen wiederherstellt und so eine antidepressive Wirkung erzielt.
Bei der TMS wird eine Magnetspule am Kopf angelegt. Die von der Spule ausgehenden Impulsserien führen zu einer anhaltenden Anregung der Nervenzellaktivität. Auf diese Weise wird die Netzwerkstörung, die der Depression nach heutigem Verständnis zugrunde liegt, normalisiert. Eine Behandlung mit TMS kann die üblichen medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlungen ergänzen und dabei helfen, wenn Medikamente und Psychotherapie allein nicht für einen Therapieerfolg ausreichen.
In den bisher durchgeführten TMS-Studien handelte es sich größtenteils um Personen, bei denen andere Therapieverfahren nicht erfolgreich waren. Wird zu einem früheren Zeitpunkt im Erkrankungsverlauf mit der TMS-Behandlung begonnen, ist sogar mit einer besseren Wirkung zu rechnen. Das heißt: Auch von einer leichteren Depression Betroffene können bereits von der Therapie mit TMS profitieren.
Die positiven Effekte der TMS-Therapie können sehr unterschiedlich sein. Manche Betroffene berichten über mehr Klarheit im Kopf und bessere Kontrolle über negative Denkmuster, andere über mehr Energie im Tagesverlauf und eine Besserung von Appetit und Nachtschlaf. Insgesamt erleben die meisten im Behandlungsverlauf eine spürbare Besserung einzelner Symptome oder der Erkrankung insgesamt. Mit der TMS lassen sich in vielen Fällen Symptome wie schlechte Stimmung, quälende Antriebslosigkeit, negatives Selbstbild und das Gefühl, mental nicht mehr leistungsfähig zu sein, substanziell bessern.
Die TMS wird von fast allen ohne Nebenwirkungen gut vertragen. Dauerhafte Begleiterscheinungen oder gar Veränderungen an der Hirnsubstanz sind nicht zu befürchten. Es handelt sich also um ein risikoarmes und dennoch effektives Verfahren. Über sämtliche mögliche Nebenwirkungen informieren wir im Vorgespräch bzw. bei der Erstuntersuchung in der Klinik.
Die TMS-Behandlung erfordert die Durchführung von einer oder mehreren Therapiesitzungen pro Tag über einen Zeitraum von zwei bis sechs Wochen. Die TMS-Therapie ergänzt sich sehr gut zu einer zeitgleich dazu erfolgenden medikamentösen und/oder psychotherapeutische Behandlung. Bis auf die erste Sitzung, die etwa 60 Minuten beansprucht, dauert eine reguläre Behandlungssitzung ca. 20 Minuten. Die Behandlungen werden in der Regel mindestens einmal, meist mehrfach täglich von Montag bis Freitag vorgenommen. Wir beginnen üblicherweise mit einer zwei- bis dreiwöchigen Behandlungsserie, doch in vielen Fällen entscheiden sich unsere Patientinnen und Patientenn für eine Weiterführung der Therapie, um Behandlungserfolge zu stabilisieren und zu stärken.
Es gibt zahlreiche Sham-kontrollierte Studien, die die antidepressiven Effekte der TMS dokumentiert haben. Inzwischen ist die Wirksamkeit von TMS als antidepressives Behandlungsverfahren meta-analytisch gesichert, so dass die S3-Leitlinie Unipolare Depression die TMS-Behandlung als Therapieoption bei solchen Personen benennt, die von einer Pharmako- oder Psychotherapie bisher nicht profitieren konnten.
Von wissenschaftlichem Interesse ist die Frage, ob auch Personen von TMS profitieren, die zusätzlich zu ihrer Depression an weiteren psychischen Erkrankungen leiden. Dieser Frage gehen wir in unseren Studien nach. Und selbst wenn die TMS nicht den gewünschten antidepressiven Behandlungserfolg herbeiführt, ist keineswegs das „Ende der Fahnenstange" erreicht. An der Universitätsklinik werden neuartige Therapien durchgeführt und im Rahmen von Studien evaluiert. Dies betrifft sowohl neue medikamentöse Optionen (Esketamin) als auch invasive Hirnstimulationsverfahren, darunter die Vagusnervstimulation (VNS).
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erstatten diese Behandlung noch nicht, wohingegen die meisten privaten Versicherungen (PKV) die Kosten übernehmen. Es ist aber zu empfehlen, dies jeweils mit dem Versicherer vorher abzuklären – beim Zusammenstellen der erforderlichen Unterlagen stehen wir unterstützend zur Seite. Für gesetzlich Versicherte gibt es jedoch die Möglichkeit, im Rahmen der Teilnahme an einer laufenden klinischen Studie eine TMS-Behandlung kostenfrei zu erhalten. Über unsere Studienaktivitäten gibt unser TMS-Behandlungsteam gerne Auskunft. Sollte eine Studienteilnahme nicht in Betracht kommen, ist die Eigenübernahme der Kosten möglich (Selbstzahlung).